Über das Angeln von Männern

Gelangweilt saß sie am Ufer ihres Lebens und war nicht zufrieden mit ihrem bisherigen Fang. Zwar war es eine Wohltat, ihn anzusehen – und viele beneideten sie um ihn, doch konnte sie mit ihm nicht glücklich sein. So warf sie ihre Netze erneut in die weiten Tiefen des Lebens und wartete nun darauf, dass etwas passieren würde. Mehr gleichgültig als erwartungsvoll ließ sie die Wellen der Zeit, die ihre zarten Fußspitzen umschmiegten, wie einen gleichförmigen Takt ewigen Einerleis rhythmisch hin und wider gleiten.

Plötzlich begannen die Vögel zu singen und es regte sich etwas. Er hatte sich in ihrem verhängnisvollen Netz verfangen und konnte nun nicht mehr entweichen. Überrascht stand sie auf, um ihn an sich zu ziehen. Schön war er und groß, aber sie wusste nicht so recht, ob sie ihn auch behalten sollte. So entriss sie ihn den Tiefen des Lebens und hüllte ihn in den Nebel des aufsteigenden, süßen Duftes, der sie umgab. Glücklich über diesen Fang leerte sie ihre Netze und ließ ihn am kalten Gestade des Lebens langsam dahinsiechen. Doch war es ein süßes Verleben, auch ohne die Freiheit des Meeres – ein ewiges Sterben im Dunste der Liebe.

Sie sah ihn dort zappeln, sich quälen, wie er zu ihren Füßen lag – doch war es ihr nicht ernst mit ihm, so ließ sie ihn leiden. Mal nahm sie ihn zu sich, mal warf sie ihn weg – er war ganz ihrer Willkür anheimgegeben und konnte doch nichts dagegen tun. Immer wieder versuchte er, die heimischen Tiefen der Freiheit zu erreichen – sprang ihnen schon hoffnungsvoll entgegen – doch im letzten Moment fing sie ihn wieder und lähmte ihn mit dumpfer, zärtlicher Betäubung. – So verrannen die Monate und er dürstete nach ihr, da sie ihm die einzige Hoffnung auf Leben bedeutete. Alles lag in ihren Händen – nur sie konnte ihn von seinem Leid erlösen. Doch tat sie es nicht, sondern ließ ihn in marternder Ungewissheit an ihrem eisigen Herzen gemächlich zu Grunde gehen. Ganze zwei Jahre trieb sie auf diese Weise ihr grausames Spiel – bis sie ihr Interesse gänzlich an ihm verlor und ihn, abgezehrt und ohne Leben, den Tiefen der Freiheit endlich wiedergab.

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